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18.04.2023

Wettbewerbsregister: Konkurrent kann unterlassene Abfrage nicht rügen

Vor der Erteilung des Zuschlags müssen öffentliche Auftraggeber beim Wettbewerbsregister abfragen, ob dort Eintragungen für den wirtschaftlichsten Bieter vorliegen. Dennoch führt ein Eintrag nicht automatisch zum Ausschluss.

Seit Juni 2022 sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags beim Wettbewerbsregister abzufragen, ob dort Eintragungen für den wirtschaftlichsten Bieter vorliegen. Das ist im Wettbewerbsregistergesetz festgelegt (Paragraf 6 Absatz 1 Satz 1 WRegG). Die Abfragepflicht bei öffentlichen Aufträgen betrifft sowohl Vergabeverfahren oberhalb als auch unterhalb der EU-Schwellenwerte.

Abfragepflicht ab Wertgrenze von 30.000 Euro (netto)

Um den Aufwand sowohl für die öffentlichen Auftraggeber als auch für die Registerbehörde in einem vertretbaren Rahmen zu halten, hat der Gesetzgeber eine Wertgrenze von 30.000 Euro/netto für die Abfragepflicht festgelegt. Dies entspricht den bislang geltenden Wertgrenzen für verpflichtende Abfragen des Gewerbezentralregisters, etwa nach Paragraf 19 Mindestlohngesetz. Die Abfragepflicht gilt für alle öffentlichen Auftraggeber im Sinne von Paragraf 99 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), also insbesondere für Städte und Gemeinden. Für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber sind besondere Regeln zu beachten.

Keine Verpflichtung zur Abfrage besteht bei Sachverhalten, für die das Vergaberecht Ausnahmen vorsieht. Wichtige Anwendungsfälle sind Inhouse-Geschäfte und die interkommunale Zusammenarbeit. Auf eine erneute Abfrage kann der öffentliche Auftraggeber auch dann verzichten, wenn er innerhalb der letzten zwei Monate für das betreffende Unternehmen bereits eine Auskunft aus dem Wettbewerbsregister erhalten hat.

Vor Ausschluss Einzelfallprüfung

Nach Paragraf 97 Absatz 6 GWB haben Unternehmen Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen beispielsweise die zwingenden Ausschlussgründe im Sinne von Paragraf 123 Absatz 1 GWB. Sie sind unter anderem auch in das Wettbewerbsregister einzutragen.

Dennoch führt ein Eintrag in das Wettbewerbsregister nicht automatisch zum Ausschluss des betreffenden Unternehmens. Der Verfahrensausschluss setzt nach Paragraf 6 Absatz 5 Satz 1 WRegG eine eigenständige Einzelfallprüfung durch den öffentlichen Auftraggeber voraus.

Allerdings verlangt auch der Gesetzgeber, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Eintragung eines zwingenden Ausschlussgrunds faktisch in aller Regel eine Ausschlussentscheidung treffen muss. Zugleich ist es der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass die Abfragepflicht des Auftraggebers als solche nicht bieterschützend ist (Bundestags-Drucksache 18/12051, 31). Eine unterlassene Abfragepflicht der Vergabestelle kann vom konkurrierenden Bieter somit nicht im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden.

Hat ein öffentlicher Auftraggeber das Wettbewerbsregister nicht abgefragt und seine Zuschlagsentscheidung zugunsten eines beispielsweise rechtskräftig verurteilten Unternehmens (Paragraf 123 Absatz 1 GWB) getroffen, kannte er die Eintragung zwar nicht, ein konkurrierender Bieter verliert dadurch aber seine Zuschlagschance.

Dieses Ergebnis klingt einerseits erstaunlich, weil die Abfragepflicht unter anderem mit den zwingenden Ausschlussgründen in einem engen Zusammenhang steht, die bieterschützend sind. Andererseits beinhaltet das Wettbewerbsregistergesetz keine originären Vorschriften über das Vergabeverfahren, wie etwa das GWB.

Abfrage hat nicht den Schutz des Bieters zum Ziel

Rechtsverstöße, die außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereiches vergaberechtlicher Vorschriften liegen, können nur ausnahmsweise zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist. Dies hat das Oberlandesgericht Düsseldorf so entschieden (Beschluss vom 21. April 2021 – Verg 1/20).

Eine solche Anknüpfungsnorm fehlt hier. Insoweit hilft auch Paragraf 122 Absatz 1 GWB nicht weiter, wonach öffentliche Aufträge nur an Unternehmen erteilt werden dürfen, die nicht nach den Paragrafen 123 oder 124 GWB ausgeschlossen werden. Denn die Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters stellt wegen der eigenständigen Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Ausschluss nur eine Ordnungsvorschrift dar. Eine solche Regel löst aber keinen Anspruch auf Einhaltung aus, weil sie den Bieterschutz gerade nicht zum Ziel hat.

Hintergrund: Auftraggeber entscheidet über Ausschluss

Die Vergabekammer Bund (Beschluss vom 12.Oktober 2020 – VK 2 – 77/20) urteilte: „Das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) regelt […] rein formal die Voraussetzungen der Eintragung, trifft aber keine Aussage zu materiellen Eignungsfragen.

Im Gegenteil stellt auch das WRegG […] klar, dass der Auftraggeber in eigener Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme am Vergabeverfahren entscheidet, und zwar […] nach Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften.“

Marcel Manz studierte Rechtswissenschaften in Maastricht und Münster. Er absolvierte sein Referendariat am Oberlandesgericht Düsseldorf. Bereits während seiner Referendarausbildung war er bei franz + partner rechtsanwälte tätig. Seit Februar 2022 berät er in sämtlichen Bereichen des Vergaberechts sowie im Bau- und Architektenrecht.

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