Laden...
07.08.2023

Sehr niedriger Preis alleine erlaubt Ausschluss nicht

Wenn ein Angebot nicht auskömmlich ist, wird es von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen. Ein Auftraggeber muss aber einen Nachweis dafür liefern, dass ein Angebot viel zu niedrige Preisangaben enthält, bevor es den Ausschluss verfügt. Eine solche Prüfung ist mitunter aufwendig. Denn die bloße Feststellung, dass ein Angebot die sogenannte Aufgreifschwelle erreicht, genügt erst einmal nicht, wie die Vergabekammer des Bundes jetzt in einem Beschluss festgehalten hat. Diese Aufgreifschwelle beschreibt die Differenz zwischen dem niedrigsten Angebot und der Schätzung der Kosten durch den Auftraggeber.

Einhaltung des Mindesttariflohns war maßgeblich für Zuschlag

Im vorliegenden Fall ging es um einen europaweit ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag für Sicherheitsdienstleistungen für eine Einrichtung des Bundes. Zum einen ging es um den Pfortendienst, zum anderen um sogenannte Innen- und Außenrevierkontrollen. Maßgeblich für den Zuschlag war einzig und allein der Preis. Am Ende sollte der Gesamtpreis für die Bewachung der Liegenschaft des Bundes zu 80 Prozent entscheiden, jeweils zehn Prozent wurde der jeweilige Stundensatz für Pfortendienst und die Kontrollen des Geländes veranschlagt. Maßgeblich dabei war, dass „einschlägige tarifliche Vorschriften, insbesondere die Einhaltung des Mindestlohnes“, als Vorgabe gemacht wurden.

Der bisherige Auftragnehmer landete in der Bewertung aller drei Bestandteile der Kalkulation am Ende nur auf Platz drei und wollte das aber nicht akzeptieren. Er war der Ansicht, er habe das Angebot schon knapp kalkuliert, weil er die Verhältnisse besser kenne als die vor ihm platzierten Bieter. Daraus schloss der unterlegene Bieter, dass das Angebot des siegreichen Unternehmens unmöglich auskömmlich sein könne. Folglich könne auch der Auftraggeber gar keine korrekte Prüfung der Preise vorgenommen haben. Denn sonst hätte er zu diesem Ergebnis kommen müssen. Dies rügte der drittplatzierte Bieter beim Auftraggeber, war damit aber erfolglos. In der Folge stellte er einen Nachprüfungsantrag.

Ebenfalls erfolglos, wie sich herausstellte. Zwar stellte die Vergabekammer fest, der Vorwurf des Auftraggebers, der Bieter habe „ins Blaue hinein“ gerügt, sei nicht zu halten. Es habe Anhaltspunkte gegeben, dass eine Prüfung der Preise nicht oder nicht korrekt erfolgt sei. Das hing aus Sicht der Vergabekammer auch damit zusammen, dass im Vorfeld der mündlichen Verhandlung festgestellt worden war, dass der Auftraggeber bei der Dokumentation des Vergabeverfahrens nicht sauber gearbeitet hatte. Mehr noch: Wie und ob der Auftraggeber die Preise geprüft hatte, war gar nicht dokumentiert. Erst in der Verhandlung konnte der Auftraggeber die überzeugenden Nachweise dafür liefern.

Ausschlaggebend für die Behörde war, dass bei der Prüfung die angebotenen Stundensätze für die Dienstleistungen bei allen Bietern nicht auffällig gewesen seien. Auch habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass in der Folge Tarifverträge nicht eingehalten werden könnten oder der Zuschlag an ein unauskömmliches Angebot erteilt werde.

Ein Auftraggeber habe grundsätzlich einen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum in der Frage der Auskömmlichkeit von Angeboten. Ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint, ist dabei nach Ansicht der Vergabekammer nicht das einzige Kriterium. Vielmehr sei es notwendig, alle für die Angebotskalkulation relevanten Merkmale zu berücksichtigen und zu würdigen. Werden Vorgaben für die Kalkulation gemacht, wie beispielsweise das Berücksichtigen von Tariflöhnen, müsse ein Auftraggeber dies später auch bewerten. Ansonsten könne die Prüfung eines Angebots nicht fehlerfrei gelingen. In dieser Prüfung hatte der Auftraggeber zunächst aus dem Gesamtpreis des Angebots einen durchschnittlichen Stundensatz gebildet und daraus abgeleitet, ob so ein Tarifvertrag eingehalten werden kann oder nicht.

Vergabekammer lässt Spielraum für Kalkulation der Stundensätze

Die Vergabekammer verwarf einen Vorschlag des unterlegenen Bieters, wonach eine ältere Empfehlung der Bundesfinanzdirektion zur Bildung von auskömmlichen Stundensätzen bei der Prüfung herangezogen werden solle. Dies enge den Spielraum für eine individuell auskömmliche betriebswirtschaftliche Kalkulation ein.

QUELLE

VK Bund, Beschluss vom 24.11.2022, Az. VK 2 - 94/22

Nach oben