Auftraggeber kann Fachleute zur Bewertung hinzuziehen
Öffentliche Auftraggeber stützen ihre Vergabeentscheidungen häufig auf das Votum von Bewertungskommissionen oder Jurys. Etwa, wenn Konzepte oder Teststellungen qualitativ bewertet werden sollen, um das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen. Dabei stellen Bieter die Zulässigkeit, Zusammensetzung und Dokumentation solcher Gremien gelegentlich infrage.
Das Vergaberecht verbietet grundsätzlich keine Juryentscheidungen. Für öffentliche Auftraggeber ist es daher zulässig, Experten hinzuzuziehen, um beispielsweise Konzepte oder Teststellungen anhand der festgelegten Zuschlagskriterien zu bewerten. Denn ob die Angebotswertung von einer oder mehreren Personen durchgeführt wird, braucht ein öffentlicher Auftraggeber den Bietern grundsätzlich nicht mitzuteilen. Wichtig ist, dass die Wertungsentscheidung vom öffentlichen Auftraggeber selbst getroffen werden muss.
Entscheidung trifft immer der öffentliche Auftraggeber
Bieter dürfen generell davon ausgehen, dass Angebote von sachkundigen Mitarbeitern des öffentlichen Auftraggebers geprüft werden (Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 2. Oktober 2012, Aktenzeichen: 1 Verg 4/12). Zwar darf sich der Auftraggeber grundsätzlich eines Sachverständigen bedienen, die Kernkompetenz der Entscheidung muss jedoch beim öffentlichen Auftraggeber verbleiben. Insbesondere ist es allein Sache des Auftraggebers, Wertungen und Ermessensentscheidungen zu treffen.
Es genügt, wenn die entscheidende Person aus dem Bereich des öffentlichen Auftraggebers kommt, sodass die Entscheidung ihm zuzurechnen ist. Irgendwelche Bedenken gegen die Benennung von Fachleuten aus der Organisation des öffentlichen Auftraggebers bestehen deshalb nicht. Die Entscheidung muss auch nicht zwingend von einem Organ des öffentlichen Auftraggebers getroffen werden.
Bei der Beratung durch Dritte reicht es aus, wenn sich die vergebende Stelle die Erklärung durch einen entsprechenden Vermerk zu eigen macht (Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 31. Januar 2014, Aktenzeichen: 15 Verg 10/13).
Bei einer Jury muss eine Mehrzahl von Personen entscheiden. Sie muss aus denselben Personen bestehen, wodurch eine objektive Entscheidung gewährleistet wird. Eine Vertretung der Jurymitglieder ist möglich. Ansonsten würde die Praktikabilität des Verfahrens leiden. Es ist immer vorstellbar, dass ein Jurymitglied kurzfristig ausfällt. Erst recht muss dies gelten, wenn mehrere öffentliche Auftraggeber gemeinsam beschaffen: Kann ein Vertreter aus der Organisation des einen öffentlichen Auftraggebers nicht kurzfristig entsandt werden, muss eine Bevollmächtigung möglich sein, um in solchen Fällen Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden, meint der schleswig-holsteinische Vergabesenat (Beschluss vom 27. Oktober 2022, Aktenzeichen: 54 Verg 77/22).
Bei einer Wertungsentscheidung muss der öffentliche Auftraggeber darlegen, nach welchen konkreten Gesichtspunkten die Bewertung erfolgt ist. Die Gründe für den Zuschlag sind zu dokumentieren. Bei einer Juryentscheidung ist es aber nicht erforderlich, dass etwa die Notizen der Gremiumsmitglieder, die der Wertung vorausgehen, in die Vergabedokumentation aufgenommen werden.
Ergebnis muss willkürfrei und überprüfbar sein
Aus der Dokumentation müssen sich auch nicht die inhaltlichen Details der Abstimmung in einer Jury ergeben, also etwa wer aufgrund welcher Erwägungen wie abgestimmt hat (Vergabekammer Bund, Beschluss vom 11. November 2020, Aktenzeichen: VK 1-84/20).
Denn für das Endergebnis ist es unerheblich, welche Auffassungen einzelne Jurymitglieder ursprünglich vertreten haben und aus welchen Gründen sie sich gegebenenfalls haben umstimmen lassen.
Welches Mitglied der Bewertungskommission sich wie geäußert hat, muss nicht dokumentiert werden, jedenfalls nicht bei einstimmigen Entscheidungen. Die Transparenz des Vergabeverfahrens leidet nicht darunter, weil eine ursprünglich abweichende Meinung eines Jurymitglieds einen Bieter nicht in seinen Rechten verletzt. Maßgeblich ist einzig die Willkürfreiheit und Überprüfbarkeit des Endergebnisses.
Im Hinblick auf das Endergebnis ist es alternativ denkbar, dass alle Gremiumsmitglieder ihre Noten oder Punkte notieren und daraus das arithmetische Mittel gebildet wird. In diesem Fall sollten öffentliche Auftraggeber erst recht darum bemüht sein, dass die Jury personenidentisch bleibt, weil andernfalls der mathematische Nutzen der Mittelwertbildung infrage gestellt werden kann.
QUELLE
- Oberlandesgericht Schleswig: Beschluss vom 27.10.2022, 54 Verg 7/22