08.05.2019, Deutschland

Offenes Verfahren oder Verhandlungsverfahren

Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann auf verschiedene Arten erfolgen, z.B. im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren, im wettbewerblichen Dialog oder in der Innovationspartnerschaft (§ 119 Abs. 1 GWB, § 14 Abs. 1 VgV).

Offenes Verfahren heißt, dass der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auffordert (§ 119 Abs. 3 GWB).

Bei einem Verhandlungsverfahren dagegen wendet sich der öffentliche Auftraggeber mit oder ohne Teilnahmewettbewerb an ausgewählte Unternehmen, um mit einem oder mehreren dieser Unternehmen über die Angebote zu verhandeln (§ 119 Abs. 5 GWB).

Das offene Verfahren ist der Regelfall, denn das Vergaberecht zielt darauf ab, den Wettbewerb unter den Anbietern einer Leistung zu fördern. Jedoch hat der öffentliche Auftraggeber in den meisten Verfahrensordnungen die freie Wahl, ob er ein offenes Verfahren, oder ein nicht-offenes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb durchführt.

Die übrigen Verfahrensarten stehen dagegen nur zur Verfügung soweit dies durch gesetzliche Bestimmungen gestattet ist. Je mehr Bieter sich an einem Ausschreibungsverfahren beteiligen, desto größer wird die Chance für den Auftraggeber, dass er ein qualitativ und preislich interessantes Angebot erhält.

Anderseits gibt es Aufträge, bei denen es nicht zielführend ist, einen großen Bieterkreis anzusprechen, da z.B. nur wenige am Markt tätige Unternehmen überhaupt in der Lage sind, ein konkretes Vorhaben zu realisieren. In diesen Fällen ist es für den Auftraggeber zielführender, nur mit den (wenigen) qualifizierten Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Das Verhandlungsverfahren eignet sich besonders für komplexe Aufträge, bei denen zu Beginn noch nicht alle Details feststehen. Es ermöglicht, Auftragsbedingungen mit den Bietern umfassend so lange zu erörtern, bis geklärt ist, wie die Leistung konkret beschaffen sein und zu welchen Konditionen und zu welchem Preis diese erbracht werden soll. Es ist demnach ein dynamischer und flexibler Prozess.

Verhandlungsverfahren sind vor allem zulässig bei spezifischen Besonderheiten des Leistungsgegenstands (§ 14 Abs. 3 VgV, § 3a EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A), z.B. bei besonderen technischen Anforderungen (OLG Düsseldorf, VPR 2018, 38; VK Bund, 2018, 76; VK Südbayern, VPR 2017, 157). Sie eignen sich besonders, wenn Konzeptideen und innovative Lösungen gesucht werden (VK Sachsen, VPR 2019, 21) und, wenn Leistungen nicht „eindeutig und erschöpfend beschreibbar“ sind (VK Lüneburg, 2019, 67, VK Westfalen, VPR 2018, 107) oder gar maßgeblich durch den Bieter gestaltet werden sollen.

 

Über den Autor:

Melina Eberts, LL.M. ist Rechtsanwältin in Heppenheim mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Bau- & Immobilienrecht. Sie berät ihre Mandanten insbesondere bei der Vertragsgestaltung und Vertragsabwicklung. Als freie Mitarbeiterin unterstützt sie die Redaktion von „ibr-online“ und „vpr-online“ und ist Ansprechpartnerin für das Vergaberecht. Dabei bereitet sie aktuelle gerichtliche Entscheidungen auf und betreut die Online-Dienste, sowie die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift „VPR – Vergabepraxis & -recht“.

Kontakt:

Melina Eberts

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Telefax 062 52.59 06 363

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