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18.04.2023

Verzicht auf losweise Vergabe muss gut begründet sein

Überwiegen wirtschaftliche oder technische Gründe, kann dies die Vergabe an einen Generalunternehmer rechtfertigen. Für Auftraggeber ist das vorteilhaft, weil damit einzelne Leistungen nicht getrennt beauftragt werden müssen. Die Begründung müssen Sie als Vergabestelle aber gut dokumentieren.

Zum Schutz mittelständischer Interessen sind Sie als Auftraggeber verpflichtet, Leistungen losweise auszuschreiben (Paragraf 97 Absatz 4 Satz 2 GWB; Paragraf 22 Absatz 1 Satz 1 UVgO). Lose können nach der Menge (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) gebildet werden.

Eine Gesamtvergabe ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (Paragraf 97 Absatz 4 Satz 3 GWB; Paragraf 22 Absatz 1 Satz 2 UVgO). In der Praxis stellt sich daher oft die Frage, welche Voraussetzungen genau erfüllt sein müssen, damit ein Generalunternehmer beauftragt werden darf.

Bieter rügt fehlende Aufteilung in Fachlose

In einer Entscheidung des letzten Jahres hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit der Frage befasst (Beschluss vom 29. April 2022 – 15 Verg 2/22). In dem Fall hatte der Auftraggeber EU-weit einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Fachsoftware für Kommunen und Landkreise im Bereich der Sozial-, Arbeits-, Jugend-, Ausländer- und Integrationsverwaltung ausgeschrieben. Weil der Auftraggeber eine Aufteilung des Auftrags in unterschiedliche Fachlose nicht vorsah, rügte ein Bieter, der nur einzelne Teile anbieten wollte, die Gesamtvergabe. Das OLG wies den Antrag des Bieters jedoch ab. Im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts sei der Auftraggeber grundsätzlich berechtigt, den Umfang der vergebenen Leistungen festzulegen und gegebenenfalls die Bildung mehrerer Leistungseinheiten vorzusehen.

Allerdings werde sein Leistungsbestimmungsrecht durch die gesetzliche Verpflichtung eingeschränkt, Leistungen grundsätzlich in Losen zu vergeben. Eine Gesamtvergabe sei nur zulässig, wenn entweder schon keine Losbildung möglich ist oder der Auftraggeber ausnahmsweise aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen berechtigt war, auf eine Losbildung zu verzichten, so die Richter.

Ob eine Aufteilung des Auftrags in Fachlose überhaupt möglich ist, beurteile sich nach der Marktüblichkeit einer entsprechenden Aufteilung. Da ein eigener Anbietermarkt für die verschiedenen Fachsoftwareangebote bestehe, war nach Auffassung des OLG die Bildung von Fachlosen möglich und im Grundsatz notwendig. Die Vergabe an einen Generalunternehmer hielt das OLG aber gleichwohl für zulässig.

Eine Gesamtvergabe dürfe nicht erst erfolgen, wenn ein objektiv zwingender technischer oder wirtschaftlicher Grund vorliegt, sondern bereits dann, wenn als Ergebnis einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange die für eine Gesamtvergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen. Ein Gericht dürfe nur überprüfen, ob die Entscheidung des Auftraggebers auf einer vollständigen oder zutreffenden Tatsachenermittlung und nicht auf fehlerhaftem Ermessen, insbesondere Willkür, beruhe.

Gute Vergabedokumentation hilft dem Auftraggeber

Einen solchen Verstoß stellte das OLG nicht fest. Der Auftraggeber hatte in der Vergabedokumentation nachvollziehbar begründet, warum für die verschiedenen Softwareanwendungen eine möglichst einheitliche Bedien- und Systemarchitektur erforderlich war und es somit einen echten Bedarf für eine Gesamtvergabe gab. Außerdem hatte er dargelegt, dass die Gesamtvergabe zu erheblichen Kostenersparnissen gegenüber einer losweisen Vergabe führt.

Mit seiner Entscheidung liegt das OLG Karlsruhe auf der Linie mit der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte. Dennoch sollte man die Entscheidung nicht als Freifahrtschein interpretieren, in Standardfällen wegen des praktisch immer gegebenen geringeren Koordinierungsaufwands und vordergründiger Einsparmöglichkeiten auf Generalunternehmer zu setzen.

Ausschlaggebend waren die nachvollziehbaren, vollständigen und zutreffenden Tatsachen in der Dokumentation des Auftraggebers. Auch die vom Auftraggeber dargelegte Verteuerung um 25 bis 35 Prozent spricht im konkreten Fall für den Verzicht auf eine Losaufteilung. Gleichwohl erleichtern viele Aussagen des OLG Karlsruhe die Argumentation von Auftraggebern, die auf eine losweise Vergabe verzichten wollen.

Tipp

Die Entscheidung ist gut zu dokumentieren

Der Auftraggeber darf auf eine Losaufteilung verzichten, wenn nach einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange die für eine Gesamtvergabe sprechenden technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen.

Die Abwägungsentscheidung müssen Auftraggeber allerdings nachvollziehbar dokumentieren. Einen Freifahrtschein für die Beauftragung eines Generalunternehmers erteilen die Gerichte aber nicht.

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