Anforderungen an Referenzen müssen eindeutig sein
Bei der Vorbereitung eines Vergabeverfahrens stehen Sie als öffentlicher Auftraggeber vor der Frage, wie Sie die für die Auftragsdurchführung am besten geeignet Bieter auswählen. Viele Auftraggeber verlangen zum Nachweis der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eines Bieters die Vorlage von Referenzen über früher ausgeführte Aufträge. Die Möglichkeit, Referenzen anzufordern sieht z.B. § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV im Bereich von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen ausdrücklich vor. Für die Prüfung der Eignung eines Bieters sind Referenzen aber nur dann geeignet, wenn für Bieter klar erkennbar ist, welche Mindestanforderungen Referenzen erfüllen müssen. Ist das nicht der Fall, sind die Vergabeunterlagen intransparent. Das hat das OLG Frankfurt am 28.09.2023 entschieden (11 Verg 2/23).
Was war geschehen?
Der öffentliche Auftraggeber hatte im Februar 2023 die Übernahme und die Verwertung von ca. 9.000 Tonnen Bioabfällen pro Jahr für einen Zeitraum von drei Jahren im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Ihre Eignung für den ausgeschriebenen Auftrag sollten interessierte Bieter nach den Vorgaben in der Bekanntmachung (nur) über zwei unternehmensbezogene Referenzen nachweisen. Beide Referenzaufträge mussten sich auf vergleichbare Leistungen für kommunale Auftraggeber beziehen. Mindestanforderung an beide Referenzen war nach der Bekanntmachung ausdrücklich „jeweils“ ein Auftragsvolumen von 50 % der ausgeschriebenen Sammel- und Verwertungsmenge, also von 4.500 Tonnen pro Jahr. Einzelne kleinere Referenzen sollten hinsichtlich der erbrachten Sammel- und Verwertungsmenge jedoch summiert werden können.
Das vom öffentlichen Auftraggeber für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen reichte drei Referenzen ein, die eine Gesamtvolumen von 5.700 Tonnen enthielten. Alle Referenzen bezogen sich auf Grünabfälle.
Der Auftraggeber wollte den Zuschlag auf das Angebot trotzdem erteilen. Er war der Auffassung, der vorgesehene Zuschlagsempfänger habe seine Eignung bei wertender Betrachtung nachgewiesen. Hinsichtlich des Umfangs der Referenzen sei entgegen der Formulierung in der Bekanntmachung nur eine Mindesttonnage von 4.500 Tonnen pro Jahr vorgegeben worden.
Gegen die vorgesehene Zuschlagserteilung wendete sich ein unterlegenes Unternehmen, die spätere Antragstellerin, zunächst mit einem Nachprüfungsantrag. Sie war der Ansicht, das vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählte Angebot sei zwingend auszuschließen, weil die vorgelegten Referenzen nicht die aufgestellten Mindestanforderungen erfüllen würden (also insgesamt 9.000 Tonnen).
Die Vergabekammer Hessen hat den Nachprüfungsantrag abgelehnt. Das vom öffentlichen Auftragnehmer ausgewählte Unternehmen habe Referenzen vorgelegt, die Rückschlüsse auf die gestellten Eignungskriterien zuließen.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer erhob die Antragstellerin Beschwerde zum OLG Frankfurt.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt hielt die Beschwerde für berechtigt. Es hob die Entscheidung der Vergabekammer auf und verpflichtete den öffentlichen Auftraggeber, das Vergabeverfahren in das Stadium vor Veröffentlichung der Bekanntmachung zurückzuversetzen.
Nach Auffassung des OLG Frankfurt ist es grundsätzlich möglich, eine Eignungsprüfung ausschließlich anhand von Referenzen vorzunehmen. Denn auch aus Referenzen sind Rückschlüsse auf mittelbar gestellte Eignungskriterien möglich. Erforderlich ist dann aber, dass ein verständiger, durchschnittlich erfahrener Bieter beurteilen kann, welche Mindestanforderungen vorgelegte Referenzen erfüllen müssen, bzw. ob, und wenn ja welche Eignungskriterien mit der Referenzforderung verbunden sind.
Das war nach Auffassung des OLG Frankfurt im vorliegenden Fall nicht so. Ein verständiger, durchschnittlich erfahrener Bieter habe den in der Bekanntmachung aufgeführten Anforderungen an die Eignung entnehmen müssen, dass er zwei Referenzen vorlegen muss, die „jeweils“ ein Volumen von 4.500 Tonnen in Bezug auf die Abholung, den Transport und die Verwertung vergleichbarer Abfälle abdecken. Das folge schon aus dem klaren Wortlaut. Daneben sei für Bieter wegen der Funktion von Referenzen klar, dass der Auftraggeber, nur solche Bieter zulassen wolle, die durch ihre Referenzen gezeigt haben, dass sie Aufträge mit vergleichbarem Volumen ausführen können. Als vergaberechtskonformes Ergebnis dürften deshalb nur Bieter als geeignet angesehen werden, die Referenzen mit einem Gesamtvolumen von 9.000 Tonnen vorweisen können.
Weil der Auftraggeber aber davon ausging, dass nach seinen Angaben in der Auftragsbekanntmachung auch Referenzen mit weniger als insgesamt 9.000 Tonnen ausreichend sein können, um die Eignung eines Bieters nachzuweisen, waren die Vergabeunterlagen nach Auffassung des OLG Frankfurt intransparent. Das Vergabeverfahren musste deshalb zurückversetzt werden.
Praxistipp
Vergabeunterlagen sind intransparent, wenn sich das Begriffsverständnis des Auftraggebers von dem eines durchschnittlichen Bieters unterscheidet. So lässt sich die Entscheidung des OLG Frankfurt zusammenfassen. Um Verzögerungen im Vergabeverfahren durch Rückversetzungen zu vermeiden, wird Ihnen als Auftraggeber empfohlen, bei der Festlegung von Mindestanforderungen an Referenzen besonders genau auf eindeutige und klar verständliche Formulierungen zu achten.
Dr. Joachim Ott, LL.M. ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte in Stuttgart. OPPENLÄNDER Rechtsanwälte berät öffentliche Auftraggeber und Bieter zu allen Fragen des Vergaberechts und Kartellrechts. Joachim Ott führt regelmäßig Verfahren vor den Vergabekammern des Bundes und der Länder, den Oberlandesgerichten und den Gerichten der Europäischen Union. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu vergaberechtlichen Themen.
AUTOR
Dr. Joachim Ott