28.05.2015, Europa

Qualitätsbewusstsein spielt eine wichtige Rolle

Aufträge in der Schweiz

Die EU reformiert derzeit ihr Vergaberecht. Ein Blick in die Schweiz zeigt, das der Gesetzgeber sich dort an europäische Standards anlehnt. Ein Grundsatz ist, dass bei einer öffentlichen Ausschreibung im Normalfall das wirtschaftlich günstigste Angebot zum Zug kommt. Deutsche Handwerker verzichten jedoch eher auf eine Teilnahme an Verfahren in der Schweiz.

Als Land, das nicht Mitglied der Europäischen Union (EU) ist, hat die Schweiz in vielen Bereichen andere rechtliche Regelungen als das EU-Land Deutschland. Der Nachbar von Baden-Württemberg ist aber dennoch eingebunden in ein internationales System, in dem für bestimmte Bereiche gewisse Mindeststandards geregelt sind. Die Grundsätze beim Vergaberecht orientieren sich am Übereinkommen der Welthandelsorganisation zum öffentlichen Beschaffungswesen. Die Vereinbarung wird auch bei den Mitgliedsstaaten der EU angewandt.

Das Abkommen sichert drei Grundprinzipien, die auch bei EU-weiten Ausschreibungen elementar sind: Erstens die Möglichkeit für Bieter, in anderen Staaten an Vergabeverfahren teilnehmen zu können. Es enthält zweitens Mindestvorgaben für die Auftragsvergabe und die Möglichkeit, Beschwerden gegen Vergaben einzulegen.

IN DER SCHWEIZ HAT JEDER KANTON EIGENES VERGABERECHT

In nationales Schweizer Recht umgesetzt wurde das Welthandelsabkommen mit dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und in der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB). Sie gelten für Vergabestellen des Bundes in der Schweiz.

Für die 26 Kantone gibt es zwar eine Übereinkunft, die sich am Bundesrecht orientiert. Im Detail unterscheiden sich die einzelnen Vergabebestimmungen der Kantone aber gravierend. Kritiker sprechen deshalb von einer Zersplitterung des Beschaffungswesens in der Schweiz. Dies führe im Ergebnis dazu, dass ein Bieter 27 Vergabegesetze berücksichtigen muss.

Von grundlegender Bedeutung im Bundesrecht ist die Vorgabe des Paragrafen 21 im BöB, dass das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhält. Dies entspricht auch den Regularien von EU-weiten Ausschreibungen. „Es wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, insbesondere Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmäßigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, technischer Wert, Ausbildung von Lernenden in der beruflichen Grundbildung“, heißt es im Gesetz weiter.

„Das Billigste ist nicht immer das Beste“ sagt Daniel Heuser von der Auslandshandelskammer Deutschland-Schweiz in Zürich, „Qualitätsbewusstsein ist grundsätzlich wichtig bei Vergabeverfahren.“ Die Definition, was das wirtschaftlich günstigste Angebot sei, müsse immer am Einzelfall festgelegt und betrachtet werden. In der Bewertung schimmere oftmals durch, Schweizer würden lediglich Schweizer beauftragen, weiß Heuser aus vielen Gesprächen und Diskussionen. In der Praxis sei es aber so, dass immer wieder auch deutsche Unternehmen bei Schweizer Großaufträgen zum Zug kämen, fügt er hinzu.

HANDWERKER ÜBERNEHMEN VOR ALLEM PRIVATAUFTRÄGE

Beispielsweise in Winterthur. Dort stattete eine deutsche Firma mit Spezialwissen im Bereich Microtunneling den Untergrund des Hauptbahnhofs mit neuen Leitungskanälen aus. Auch Bohrarbeiten am Gotthard-Tunnel wurden von einem deutschen Unternehmen ausgeführt. Nicht von der Hand zu weisen sei allerdings, dass der Faktor Kundennähe eine Rolle spiele, zum Beispiel dann, wenn ein schneller Kundendienst gefragt sei.

Sich auf das Schweizer Vergaberecht einzulassen, ist nicht in allen Branchen angesagt. Deutsche Handwerker in Grenznähe verzichten weitgehend auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in der Schweiz.

Zwar berät die Handwerkskammer Konstanz in rund 1000 Fällen pro Jahr zum Thema Auftragsvergabe in der Schweiz. Um öffentliche Vergabestellen geht es dabei kaum. Das liege daran, dass es genügend private Bauherren und Baugesellschaften gebe, die gerne deutsche Handwerker beauftragten, sagt eine Sprecherin der Kammer.

Was bleibt, ist das Risiko aus Unternehmersicht, für einen Auftrag in einer anderen Währung mitzubieten. In der Schweiz wird grundsätzlich ausschließlich in Franken ausgeschrieben. Zwischen dem Zeitraum der Angebotsabgabe und der Vergabeentscheidung vergehen nicht selten viele Monate, in der die Währung stark schwanken kann. Statistiken, ob die Abkopplung des Franken vom Euro zu Veränderungen in der Beteiligung deutscher Firmen an Schweizer Ausschreibungen geführt hat, liegen nicht vor.

Titel

Nach oben