Ein fehlendes Formblatt kann ausreichen, um Bieter von der Vergabe auszuschließen
Die Vergabekammer Berlin legt fest: Auftraggeber müssen nicht zwingend Unterlagen nachfordern.
Ein öffentlicher Auftraggeber ist grundsätzlich berechtigt, Vergabeunterlagen nachträglich zu ändern. Außerdem muss er von der Möglichkeit, Nachforderungen von Unterlagen gegenüber Bietern zu stellen, keinen Gebrauch machen. Mehr noch: Er kann die Nachforderung auf bestimmte Unterlagen beschränken. Das hat die Vergabekammer Berlin beschlossen (Aktenzeichen B 2-35/22).
Im konkreten Fall ging es um die europaweite Ausschreibung für die Vergabe von Landschaftsbauarbeiten im Rahmen eines größeren Bauprojekts. Im laufenden Verfahren hatte der Auftraggeber aufgrund von Bieterfragen die Ausschreibungsunterlagen verändert und neu eingestellt.
Vergabeunterlagen können nachträglich geändert werden
Bestandteil war nun auch ein Formblatt über eine Stoffpreisgleitklausel. Der Auftraggeber hatte gleichzeitig mitgeteilt, dass er dieses Formblatt nicht bei den Bietern nachfordern werde, wenn dies in den eingereichten Unterlagen fehlen sollte. Folgerichtig schloss er ein Angebot aus, bei dem das Formblatt fehlte.
Der Bieter rügte die Vorgehensweise und machte geltend, in der ursprünglichen Ausschreibung sei nicht die Rede von diesem Formblatt gewesen. Dies dürfe nun nicht nachträglich aufgenommen werden. In jedem Fall aber müsse einem Bieter, der die nachträgliche Erfordernis von zusätzlichen Formblättern übersehen habe, die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Unterlagen nachzureichen.
Die Vergabekammer gab dem Auftraggeber Recht. Dieser habe im Zuge des Verfahrens festgelegt, dass das Formblatt einzureichen sei und dieses nicht nachgefordert werde. Die Vorgehensweise sei nicht zu beanstanden. Öffentliche Auftraggeber seien grundsätzlich berechtigt, Vergabeunterlagen nachträglich zu ändern. Eingehalten werden müssten dabei lediglich die Verfahrensgrundsätze, also etwa die Vorgaben zum Wettbewerb und zur Chancengleichheit aller Bieter, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen festgehalten sind.
Vergabekammer sieht Bieter in der Pflicht
Die Vergabekammer Berlin schrieb dem Unternehmen zusätzlich ins Stammbuch, dass es für einen sorgfältig handelnden Bieter ohne besonderen Rechtsbeistand durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen zu erfassen sei, dass Angebote ohne Formblatt zwingend auszuschließen seien.
Bezug nimmt die Kammer auf den Paragrafen 16a der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Dort ist festgehalten, dass ein Auftraggeber fehlende oder unvollständige Unterlagen vom Bieter eigentlich nachfordern muss. Allerdings lässt der Paragraf zu, dass der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festlegen kann, dass keine oder nur bestimmte Unterlagen nicht nachgefordert werden.
QUELLE
Vergabekammer Berlin: 24. Januar 2023, B 2-35/22
AUTOR
Wolfgang Leja