21.08.2017, Deutschland

Vergabestellen bekommen immer weniger Angebote

Vergabestellen, die derzeit im Hoch- und Tiefbau öffentliche Aufträge vergeben wollen, haben ein Problem: Sie erhalten für manche Gewerke nur wenige oder gar keine Angebote. Und: Die Bieter, die sich melden, liegen mit ihren Preisen zum Teil weit über der Summe, die die Auftraggeber zuvor geschätzt haben. Bei einer Vielzahl von Projekten im Südwesten werden Ausschreibungen aus diesem Grund aufgehoben. Nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und der Vergabeverordnung (VgV) ist ein solcher Schritt erlaubt.

AUF VIELE AUFTRÄGE GIBT ES LEDIGLICH EIN ANGEBOT – ODER AUCH KEINES

Grund für die angespannte Situation am Markt ist die gute Konjunktur. „Es scheint, dass etliche Firmen derzeit nicht auf Aufträge der öffentlichen Hand angewiesen sind“, mutmaßt Reinhard Feser (CDU), Bürgermeister in Lenzkirch (Schwarzwald-Baar-Kreis). Dort wurden im Februar 2017 Kanalsanierungsarbeiten mit einem Volumen von rund 200 000 Euro ausgeschrieben. Gerade einmal ein Unternehmen meldete sich.

In anderen Kommunen gehen sogar gar keine Angebote mehr ein. Als die Lenzkircher Experten mehrere Einzelpositionen genauer betrachteten, zeigte sich, dass die Preise zwischen 200 und 600 Prozent höher lagen als der am Ort zu erzielende Einheitspreis. Was folgte, war der Ausschluss des Angebots. Die Aufhebung war die automatische Folge. Jetzt will es Feser über eine freihändige Vergabe versuchen.

Die Aufhebung der Ausschreibung ist eine Reaktionsmöglichkeit. Das aber ist nicht immer die Lösung, wie ein Beispiel in Riedlingen (Kreis Biberach) zeigt. Dort musste eine Straßenbrücke gebaut werden, weil sie für die Umsetzung eines Verkehrskonzepts von großer Bedeutung war.

„Eine Aufhebung der Ausschreibung hätte – und das ist die Erfahrung der letzten beiden Jahre – kein besseres Ergebnis gebracht, zumal der Markt überhitzt ist“, weiß Stadtbaumeister Johann Suck. Knapp vier Millionen Euro zahlt die Kommune jetzt dafür, vorgesehen waren 3,1 Millionen Euro. Immerhin: Durch eine preisgünstigere Alternative beim Bodenbelag konnten die Kosten um knapp eine halbe Million Euro reduziert werden.

Bürgermeister Maik Lehn (parteilos) aus Stetten am kalten Markt (Kreis Sigmaringen) bringt es auf den Punkt: „Es ist erfreulich, dass unsere Handwerker und Firmen volle Auftragsbücher haben.“ Dies führe jedoch dazu, dass teilweise kein Wettbewerb mehr stattfinde und enorme Preissteigerungen zu tragen seien. Auch in Stetten war man gezwungen, Außenanlagen am Klärwerk umzurüsten. Es ging dabei um neue Kommunikationsleitungen, der Anbieter rüstet auf moderne Technik um und hatte der Gemeinde die ISDN-Anbindung gekündigt. Statt der geplanten 253 000 Euro zahlte die Kommune 363 000 Euro. Zwar hatten im Vorfeld 18 Unternehmen die Ausschreibungsunterlagen abgerufen, doch lediglich zwei Angebote gingen ein.

MANCHE KOMMUNEN KÖNNEN IHRE PROJEKTE NICHT VERSCHIEBEN

Auch wenn Kommunen an bestimmte Zeiträume gebunden sind, um Maßnahmen durchzuführen, beispielsweise die Sanierung einer Schule während der Ferienzeiten, führt das zu hohen Preisen. In Engstingen braucht die örtliche Schule samt zwei angeschlossenen Hallen eine neue Heizung. Sie muss in den Sommerferien eingebaut werden. In diesem Zeitraum werden aber in vielen anderen Schulen ebenfalls umfangreichere Sanierungen vorgenommen. Auch hier musste tiefer in die Tasche gegriffen werden, um sicherzustellen, dass der kommende Winter nicht ohne neue Heizung beginnt.

Carmen Mundorff, Sprecherin der Architektenkammer Baden-Württemberg, bestätigt, dass die Baukonjunktur in einer Hochphase sei, die Unternehmen und Handwerksbetriebe seien über Monate ausgelastet. Diese Situation entspanne sich vermutlich nicht so schnell, zumal gerade der Wohnungsbau forciert werde.

In Fellbach schaut auch Baubürgermeisterin Beatrice Soltys skeptisch auf die Preisentwicklungen in einigen Gewerken. „Das ist eine ziemlich extreme Situation, die ich so noch nicht erlebt habe“, meint sie. Von einigen Handwerkern höre sie, dass sie nur noch im privaten Sektor tätig sein wollten. Bei kleineren Unternehmen spiele bei öffentlichen Aufträgen auch der Zeitaufwand für die Angebotsabgabe eine Rolle. Die Kommunen müssten momentan „ein Stück weit damit leben“, wie sich der Markt aktuell darstelle. In Fellbach versuche man das durch eine gute Kalkulation der Aufträge aufzufangen.

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