24.10.2011, Deutschland

Unvollständige Unterlagen führen nicht zum Ausschluss

Für zwei wichtige Verfahrensschritte sehen die Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen (VOB/A) und für (Dienst-)Leistungen (VOL/A) unterschiedliche Regelungen vor. Die Regel, wonach unvollständige Angebote nach Ablauf der Angebotsfrist nicht vervollständigt werden durften, wurde in der neuen VOB/A gestrichen.

VERBOT, UNTERLAGEN NACHZUREICHEN, IST STARK IN DIE KRITIK GERATEN

Am Nachreichungsverbot hatten sowohl Unternehmen als auch öffentliche Auftraggeber Kritik geübt, da nicht selten auch inhaltlich gute Angebote allein wegen einzelner fehlender Unterlagen ausgeschlossen werden mussten.

Daran muss ein Angebot nun nicht mehr scheitern. Denn bei Bauvergaben sind fehlende Erklärungen und Nachweise nachzuverlangen (Paragraf 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A). Erst wenn sie nicht innerhalb von sechs Kalendertagen vorgelegt werden, ist das Angebot auszuschließen.

Auch bei Vergaben nach der VOL/A führen fehlende Unterlagen nicht zwingend zum Ausschluss eines Angebots. Dem Auftraggeber steht es allerdings frei, ob er eine Nachfrist einräumt. Greift er zu diesem Mittel und wird die Frist nicht eingehalten, muss ein Angebot ebenfalls ausgeschlossen werden (Paragraf 16 Abs. 2 und 3 VOL/A).

In beiden Fällen müssen die Unterlagen in den Vergabeunterlagen wirksam gefordert worden sein. Bieter müssen klar und unmissverständlich erkennen können, welcher Art die notwendigen Erklärungen oder Nachweise sind, welchen Inhalt sie aufweisen und bis zu welchem Zeitpunkt sie vorgelegt werden müssen.

Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, bleibt ihr Fehlen für den betreffenden Bieter folgenlos, da Unklarheiten und unzumutbare Anforderungen nicht zu Lasten der Bieter gehen dürfen. So kann etwa die Benennung der Nachunternehmer bereits mit dem Angebot unzumutbar sein. Darauf hat Kerstin Dittmann, Beisitzerin in der Vergabekammer des Bundes, bei den Vergaberechtstagen vom 22. bis 23. September in Speyer hingewiesen. Verpflichtungserklärungen im Falle einer Bietergemeinschaft müssen im VOL/A-Bereich allerdings in jedem Fall, also auch ohne entsprechende Vorgabe in der Ausschreibung, vorgelegt werden (Paragraf 7 Absatz 9 VOL/A), während im VOB/A-Bereich davon ausgegangen wird, dass sie nur bei Aufforderung vorgelegt werden müssen.

Angebote nach der VOL/A ohne Erklärungen oder Nachweise kann der Auftraggeber im Gegensatz zu VOB/A-Vergaben ohne Weiteres sofort ausschließen. Fordert er sie jedoch nach, muss er nach pflichtgemäßem Ermessen vorgehen, so die Referentin in Speyer. Nicht vergaberechtskonform wäre es demnach, wenn die Vorlage eines „spätestens bis zur Teststellung“ einzureichenden Zertifikats nachträglich gestattet würde. Die Nachforderung ist auch nicht bei Erklärungen und Nachweisen möglich, die von vorneherein erst nach Ablauf der Angebotsfrist vorzulegen waren. Denn die VOL/A räumt diese Möglichkeit nur für solche Unterlagen ein, die „bis zum Ablauf der Angebotsfrist“ nicht vorgelegen haben.

Eine solche Ausweitung der Nachbesserung von unvollständigen Angeboten wäre eine Ungleichbehandlung aller anderen Bieter, die rechtzeitig und meist sogar mit hohem finanziellem Aufwand die geforderten Zertifikate beschafft haben. Wenn ein Bieter meint, er könne ein Zertifikat nicht fristgerecht vorlegen oder die Beschaffung sei ihm wegen des verbundenen Aufwands nicht zumutbar, bleibt die Möglichkeit, dies zu rügen.

Das Ermessen wird nur dann ordnungsgemäß ausgeübt, wenn bei der Nachforderung der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird. Daher muss der Auftraggeber sämtliche fehlende Unterlagen nachfordern und darf sich nicht auf einzelne Bieter beschränken.

WENN DER BIETER BEI NACHFORDERUNG AKTIV WIRD, IST ES SCHON ZU SPÄT

Da die Dauer der Frist für die Nachreichung von Unterlagen in der VOL/A nicht geregelt ist, ist ihre Festlegung Sache des Auftraggebers. Er muss dabei zwischen seinem Interesse an einer zügigen Vergabe und dem des Bieters, ausreichend Zeit für die Beschaffung zu haben, abwägen (VK Bund 29. April VK -1-34/11). Der Bieter darf sich nicht erst auf Grund der Nachforderung darum bemüht haben.

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