10.04.2015, Deutschland

Produktneutral ausschreiben bewahrt vor Rechtsverstoß

Es geht bei der Leistungsbeschreibung darum, perspektivisch zu beschreiben, was der spätere Auftragnehmer liefern soll. Das ist in abstrakter Weise nicht immer einfach. Daher orientieren sich Auftraggeber oft an dem, was sie schon nutzen oder kennen. Es stellt sich die Frage, wie konkret man eine Leistungsbeschreibung auf ein bestimmtes genutztes oder geschätztes Produkt zuschneiden kann.

Ausgangspunkt ist der vergaberechtliche Grundsatz, dass die Leistung produktneutral zu beschreiben ist. Dieser Beitrag soll zuerst auf Ausnahmen eingehen, dann auf die Möglichkeit, eine Leistung durch ein Leitfabrikat näher einzugrenzen und zuletzt auf die Tücken einer solchen Vorgehensweise.

ERHEBLICHE EINSCHRÄNKUNG DES WETTBEWERBS

Der Grundsatz der möglichst neutralen Leistungsbeschreibung gilt immer dann nur eingeschränkt, wenn es für den Auftraggeber einen sachlichen Grund gibt, die Leistung in wettbewerbsbeschränkender Weise eng zu beschreiben. Diesen Grund muss der Auftraggeber auch angeben können und in der Dokumentation des Vergabeverfahrens berücksichtigen. Dabei ist die Vorgabe einer bestimmten Produktart und erst recht eines bestimmten Produkts eine erhebliche Einschränkung des Wettbewerbs.

Als Faustregel gilt: Je mehr der Auftraggeber den Wettbewerb einschränkt, desto intensiver muss er das begründen. Bei ausreichender Begründung wurde sogar schon die Vorgabe eines bestimmten Produktes für zulässig gehalten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Januar 2013, VII – Verg 33/12). Allerdings ging es um einen Sonderfall. Der Auftraggeber hatte sehr genaue Vorstellungen von einem Außenputz – nach Tests hatte sich nur ein Produkt mit bestimmten Zusatzstoffen als geeignet erwiesen. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Auftraggeber ein Produkt nicht ausdrücklich nennt, sondern nur ein einziges Produkt die Vorgaben des Auftraggebers erfüllt – nicht immer völlig zufällig.

Manchmal soll die Angabe eines „Leitfabrikats“ aber nicht heißen, dass nur dieses Produkt geeignet ist, sondern es soll nur die Leistung näher beschrieben werden. Damit ist es von – im Zweifel unzulässigen – verdeckten produktspezifischen Leistungsbeschreibungen abgegrenzt. Bei einer solchen Vorgehensweise muss die ausschreibende Stelle stets den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzufügen.

Wie das zu verstehen ist, war aktuell Gegenstand einer Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg (VK) (Beschluss vom 29. Januar 2015, 1 VK 59/14). Der Auftraggeber hatte ein Produkt als Leitfabrikat genannt. Nun ging es darum, ob ein anderes Produkt gleichwertig ist. Die VK hat klargestellt, dass ein Auftraggeber mehr tun muss als diesen Zusatz abzudrucken. Er soll sich auch überlegen, warum er das Leitfabrikat nennt und was die Gleichwertigkeit ausmacht. Die VK hat verlangt, dass der Auftraggeber Parameter festlegt, die erfüllt sein müssen, damit ein Produkt als gleichwertig betrachtet werden kann.

 

Damit soll verhindert werden, dass ein Auftraggeber willkürlich und ohne sachlich nachvollziehbare Begründungen manche Produkte als gleichwertig und andere nicht festlegt. In den meisten Fällen enthält die Leistungsbeschreibung bereits eine Reihe von Merkmalen, das Leitfabrikat wird sehr oft nur an das Ende einer solchen Beschreibung gehängt. In diesen Fällen dürften die ausdrücklich genannten Leistungsmerkmale als Parameter im Sinn der VK Baden-Württemberg dienen.

Es stellt sich dann die Frage, ob die Leistungsbeschreibung produktoffen ist oder ob der Auftraggeber nicht doch durch die geforderten Leistungsmerkmale eine verdeckte produktspezifische Leistungsbeschreibung vorgenommen hat.

Solche Vorgaben können ihre Tücken haben, wie der Auftraggeber in einer Entscheidung der Vergabekammer des Bundes feststellen musste (VK Bund, Beschluss vom 19. Februar 2015, VK 2-1/15). Er hatte in seine Leistungsbeschreibung eine Reihe von Vorgaben aufgenommen. Insgesamt lief es darauf hinaus, dass nur ein einziges Produkt diese Vorgaben erfüllte. Einem der Bieter fiel das auf, er wollte dem Auftraggeber aber dennoch ein anderes Produkt anbieten. Bei der Angebotsprüfung stellte der Auftraggeber nun fest, dass dieses andere Produkt eigentlich auch durchaus tauglich wäre – und außerdem deutlich günstiger ist. Daher wollte er den Zuschlag auf dieses Angebot mit dem anderen Produkt erteilen. Dies hat ihm die Vergabekammer untersagt.

Der Auftraggeber hätte die Möglichkeit gehabt, allen Unternehmen und Bietern die Möglichkeit zu geben, ihrerseits ein anderes Produkt anzubieten.

 

Expertenbeitrag: Mark von Wietersheim, Geschäftsführer Forum Vergabe, Berlin

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