Laden...
25.04.2023, Deutschland

Verwendung eines gleichwertigen Produkts nur bei entsprechendem Angebot

In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion, eine Marke, eine Herkunft oder ein besonderes Verfahren verwiesen werden. Das verlangt der Grundsatz der Produktneutralität (§ 31 Abs. 6 VgV). Möchten Sie als Auftraggeber ausnahmsweise auf ein Leitprodukt verweisen, müssen Sie den Zusatz „oder gleichwertig“ verwenden. Das ist aber nur dann möglich, wenn es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Eine solche „Gleichwertigkeits-Konstellation“ war auch Gegenstand der Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 14.12.2022, 14 U 44/22). Das OLG Celle hatte die Frage zu klären, ob ein „gleichwertiges“ Produkt in der Ausführungsphase verwendet werden darf, wenn das vom jeweiligen Bieter in der vorherigen Angebotsphase nicht angegeben wurde.

Was war geschehen?

In dem oben genannten Fall ging es um die Frage, ob ein öffentlicher Auftraggeber zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung eines Vertragsverhältnisses berechtigt ist, wenn der Auftragnehmer ein von seinem Angebot abweichendes Produkt in der Ausführungsphase verwendet. Die klagende Auftragnehmerin versuchte in dem Rechtsstreit, gegenüber der beklagten öffentlichen Auftraggeberin den restlichen Werklohn in Höhe von ca. 40.000 EUR durchzusetzen.

Die beklagte öffentliche Auftraggeberin hatte zuvor ein Vergabeverfahren über bestimmte Baumaßnahmen durchgeführt und der späteren Klägerin den Zuschlag erteilt. Bei der Durchführung der Baumaßnahmen kam es dann zum Streit darüber, ob bestimmte Stahlblechtüren verbaut werden durften oder nicht. Die Vergabeunterlagen hatten noch ein bestimmtes Produkt mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ verwendet. Die Formulierung übernahm auch die spätere Klägerin in ihrem Angebot. Die Klägerin verbaute sodann nicht die konkret angegebene Stahlblechtür, sondern ein aus ihrer Sicht gleichwertiges Produkt. Die Auftraggeberin stellte sich aber auf den Standpunkt, dass das unzulässig ist, weil die Stahlblechtür nicht dem von der Auftragnehmerin im Vergabeverfahren angebotenen Produkt entspricht. Die öffentliche Auftraggeberin forderte deshalb die spätere Klägerin auf, die im Angebot angegebenen Türen zu verbauen und die schon eingebauten Türen zu ersetzen. Weigert sich die Auftragnehmerin, stellt die öffentliche Auftraggeberin bzw. das staatliche Baumanagement den Entzug des Auftrags in Aussicht. Die Auftragnehmerin bzw. spätere Klägerin rechnete sodann den Restbetrag in Höhe von ca. 40.000 EUR ab. Die beklagte Auftraggeberin beglich den Rechnungsbetrag jedoch nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie hätte sich vertragsgemäß verhalten und mangelfrei geleistet; die verbauten Türen seien gleichwertig zu dem im Angebot angegebenen Produkt. Die öffentliche Auftraggeberin bzw. Beklagte hat hingegen die Auffassung vertreten, es hätten ausschließlich die im Angebot angegebenen Türen verbaut werden dürfen. Die in Rechnung gestellten Kosten stünden Ersatzvornahmekosten entgegen.

Das Landgericht hat in erster Instanz der Klage vollständig stattgegeben und die beklagte Auftragnehmerin zur Zahlung des ausstehenden Rechnungsbetrags verurteilt. Gegen diese Entscheidung hatte die beklagte Auftragnehmerin Berufung zum OLG Celle eingelegt.

Entscheidung des OLG Celle

Das OLG Celle gab in der Berufung der öffentlichen Auftragnehmerin Recht. Die Klage sei unbegründet und war deshalb insgesamt abzuweisen.

Das OLG Celle begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass die Zusatzformulierung „oder gleichwertig“ ausgeschlossen worden war und deshalb bestimmte Türen verbaut werden mussten. Denn im Angebotsschreiben der Klägerin fand sich eine Regelung, wonach die Klägerin erklärte, dass „das vom Auftraggeber vorgeschlagene Produkt Inhalt meines / unseres Angebotes ist, wenn Teilleistungsbeschreibung des Auftraggebers den Zusatz „oder gleichwertig“ enthalten und von mir / uns keine Produktangaben / Hersteller- und Typenbezeichnungen eingetragen wurden“. Die später klagende Auftragnehmerin hatte diesen von der öffentlichen Auftraggeberin vorgegebenen Formulartext gemäß Vergabe- und Vertragshandbuch Bund (VHB Bund, Ausgabe 2017) akzeptiert und uneingeschränkt unterschrieben. Sprich: Die Auftragnehmerin hätte an dieser Stelle mögliche andere (gleichwertige) Produkte nennen müssen. Da sie dies nicht getan hat, konnte die Auftraggeber zu Recht davon ausgehen, dass das geforderte Produkt eingebaut werden wird.

Die Klausel, mit der die „oder gleichwertig“-Regelung ausgeschlossen worden war, hielt nach Auffassung des OLG Celle auch der „AGB-Kontrolle“ stand. Nach Auffassung des OLG Celle handelte es sich zwar um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), weil sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen darstellen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klausel unterfalle insofern auch der „Inhaltskontrolle“, sie sei danach aber zulässig. Die Klausel sei weder überraschend noch führe sie zu einer Benachteiligung der klagenden Auftragnehmerin. Die Regelung war auch nicht intransparent oder unangemessen. Nachdem die Klausel wirksam war, stand der beklagten öffentlichen Auftraggeberin ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, weil andere Türen als die vertraglich vereinbarten Türen verbaut wurden. Deshalb kam es auf einen etwaigen Gleichwertigkeitsnachweis nicht an.

Praxishinweise

Die Entscheidung des OLG Celle beschäftigt sich mit der Produktneutralität bzw. des „oder gleichwertig“-Zusatzes in der Ausführungsphase. Die Entscheidung zeigt, dass die Produktneutralität in Vergabeverfahren zwar dazu führt, dass auch gleichwertige Produkte angeboten werden dürfen. Verpflichtet sich ein Auftragnehmer mit seinem Angebot aber, ein bestimmtes Produkt zu liefern, darf er später kein „gleichwertiges“ Produkt verwenden. Als öffentlicher Auftraggeber sollten Sie darauf achten, dass Ihre Vergabeunterlagen bzw. das Angebotsformular klar ist und später keine Streitigkeiten über das konkret zu verwendende Produkt entstehen. Zeigen Bieterfragen, dass es Unklarheiten über die Angabe von gleichwertigen Produkten im Angebot gibt, sollten Sie im Rahmen einer Bieterinformation für Klarheit sorgen. Dabei gilt immer, dass Sie unzulässige Produktvorgaben vermeiden müssen, um keine Rüge bzw. kein Vergabenachprüfungsverfahren zu riskieren.

QUELLE

Dr. Corina Jürschik, LL.M. ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht bei OPPENLÄNDER Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist seit vielen Jahren im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe tätig. Sie unterstützt Bieter und Bewerber in Vergabeverfahren bei der Wahrung ihrer Rechte und berät öffentliche Auftraggeber bei der rechtssicheren Gestaltung von Vergabeverfahren.

Titel

Nach oben