17.06.2014, Deutschland

Neuausschreibung kann für Behörde teuer werden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20. März 2014 (X ZB 18/13) festgestellt, dass ein zur Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten eines öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich nicht als Aufhebungsgrund herangezogen werden kann. Ansonsten hätte es der Auftraggeber in der Hand, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Dies gilt unabhängig von Fragen des Verschuldens.

VERGABEUNTERLAGEN MÜSSEN EINDEUTIG SEIN

Im konkreten Fall schrieb der Auftraggeber Straßenbauarbeiten europaweit aus. Innerhalb des Vergabeverfahrens gab es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Vergabeunterlagen hinsichtlich der Ausführung der Fahrbahndecke zu verstehen waren. Während einige Anbieter einen einspurigen Einbau der geforderten Betondeckenabschnitte anboten, sah das Angebot der Antragstellerin, welches das günstigste war, eine Ausführung in zwei Spuren vor.

In der Folge hob der Auftraggeber das Vergabeverfahren auf und verband dies mit der Ankündigung, ein neues Verfahren einzuleiten. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag und beantragte, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, hilfsweise, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und sie in ihren Rechten verletzt hat.

Der BGH ist der Auffassung, dass Bieter die Aufhebung eines Vergabeverfahrens nicht nur dann hinnehmen müssen, wenn sie von den in den Vergabe- und Vertragsordnungen festgelegten Aufhebungsgründen gedeckt sind. Vielmehr kann ein Auftraggeber ein Vergabeverfahren auch ohne Aufhebungsgrund grundsätzlich jederzeit aufheben. Ein Bieter kann im Falle einer nicht vergaberechtskonformen Aufhebung allerdings die Feststellung beantragen, dass er durch das Verfahren in seinen Rechten verletzt ist und Anspruch auf Schadenersatz geltend machen. Der Schadenersatzanspruch ist dabei grundsätzlich auf das negative Interesse – den entstandenen Aufwand – gerichtet.

Ein Schadenersatzanspruch auf Erstattung des positiven Interesses – des entgangenen Gewinns – oder ein Anspruch auf Aufhebung der Aufhebung und Weiterführung des Vergabeverfahrens sind allenfalls denkbar, wenn der Auftraggeber die Möglichkeit, ein Vergabeverfahren aufzuheben, in rechtlich zu missbilligender Weise einsetzt. Dies kann dem BGH zufolge der Fall sein, wenn der Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter gänzlich anderen Voraussetzungen beziehungsweise in einem anderen Bieterkreis vergeben wird.

AUFHEBUNG DER AUSSCHREIBUNG UNTER BESTIMMTEN UMSTÄNDEN GESTATTET

Für das Vorliegen eines zur Aufhebung berechtigenden sonstigen schwerwiegenden Grundes sind die gesamten Umstände, die für die Aufhebungsentscheidung erheblich waren, zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere auch etwaige Mängel der Ausschreibung. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen. Anders verhielt es sich im entschiedenen Fall, weil die Aufhebungsentscheidung sich dort als eine Maßnahme zur Korrektur eines eigenen vergaberechtlichen Fehlers des Auftraggebers darstellte.

Steht ein Fehlverhalten des Auftraggebers im Raum, kommt ein schwerwiegender Grund in der Regel nicht in Betracht. Ansonsten läge es in der Hand des Auftraggebers, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen.

Expertenbeitrag von Martin Ott, Rechtsanwalt Menold Bezler, Stuttgart

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