07.02.2011, Baden-Württemberg, Deutschland

Berichterstattung und Tagungsunterlagen des 09. Vergabetags 2011

Sowohl auf der Auftraggeber– als auch auf der Auftragnehmerseite bestehen seit der Novellierung des Vergaberechts Unsicherheiten darüber, wie ein Verfahren zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen rechtssicher durchzuführen ist. „Die öffentliche Vergabe von Architektur- und Ingenieurleistungen ist sehr anspruchsvoll. Eine Vergabe fair und transparent sowie effizient und ökonomisch durchzuführen und dabei qualitativ gute Ergebnisse zu erzielen, ist harte Arbeit“, sagte Stephan Engelsmann, Vizepräsident der Ingenieurkammer Baden-Württemberg.

„Die VOF ist auch 13 Jahre nach ihrer Geburt nur unzureichend bekannt“, sagte Harald Klose, Architekt bei der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung. Ein fairer Wettbewerb finde weder auf dem flachen Land noch in diversen Landeshauptstädten statt. Laut Norbert Portz vom Städte- und Gemeindebund gebe es immer wieder Bestrebungen von Vergabestellen, das Vergaberecht zu umgehen.

Der Vergaberechtsexperte machte dies am Beispiel einer Gemeinde aus Hessen deutlich. Um unterhalb der EU-Schwellenwerte zu bleiben, hatte die betreffende Kommune Planungsleistungen in einzelne Bauabschnitte aufgeteilt und jeden Bauabschnitt als separate Dienstleistung ausgeschrieben. „Damit hat man sich jedoch keinen Gefallen getan“, sagte Portz. Die Angelegenheit werde jetzt vor Gericht verhandelt.

Die Berechnung des Auftragswerts bleibt auch nach der Novellierung des Vergaberechts laut Experten wie Peter Kalte, dem Geschäftsführer der GHV Gütestelle Honorar- und Vergaberecht in Mannheim, eine große Herausforderung. Auch mit der Novelle der Vergabeordnung sei dies nicht abschließend geklärt, sagte er.

Nach Ansicht von Willi Weiblen, Ministerialdirigent im Wirtschaftsministerium, hat sich das Vergaberecht „im Alltag“ etabliert. Bei Bund, Ländern, Kommunen und den anderen Auftraggebern zeige sich eine positive Gewöhnung. Die große Angst vor den vermeintlichen oder tatsächlichen Unwägbarkeiten eines Vergabeverfahrens sei abgeklungen. Geblieben sei jedoch die Kritik über die Verrechtlichung dieses Bereiches. 

Weiblen informierte die über 300 Besucher des Vergabetags über die Förderung von mittelständischen Interessen bei öffentlichen Vergaben. Nicht nur das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Paragraf 97 Absatz 3 GWB) habe die Vergabe an mittelständische Unternehmen weiter in den Vordergrund gerückt, sagte er. Das Land habe Ende 2010 eine neue Mittelstandsrichtlinie verabschiedet. Weiblen betonte, dass auch nach der neuen VOF (Paragraf 4 Absatz 5) kleine Büroorganisationen und Berufsanfänger angemessen beteiligt werden sollen. Diese Vorschrift werfe in der Praxis allerdings erhebliche Schwierigkeiten auf, räumte er ein.

Eine der Schwierigkeiten taucht nach Ansicht von Ingenieurkammer-Vizepräsident Engelsmann bei der Eignungsprüfung der Bieter auf. „Wenn von den Bietern ein Jahresumsatz von 800.000 Euro gefordert werde, sind kleine Büros außen vor“, sagte Engelsmann. Und das sei nicht selten der Fall. Denn bei nahezu allen VOF-Verfahren würden Umsatz und Mitarbeiterzahl als Kriterium verlangt und in die Gewichtung einbezogen. „Die Struktur der Planungsbüros in Baden-Württemberg ist jedoch kleinteilig“, erklärte Engelsmann.

„Wir wollen, dass Kommunen auf solche Schwierigkeiten Rücksicht nehmen“, sagte Weiblen. Das Land könne den Kommunen jedoch nicht vorschreiben, wie sie bei Ausschreibungen vorgehen sollen. „Die suchen jemand, der Erfahrung hat, da holt man sich eben entsprechende Büros“, sagte Weiblen.

Eine der wesentlichen Neuerungen in der VOF ist laut Portz die Möglichkeit der Auftraggeber, fehlende Erklärungen und Nachweise des Bieters nachzufordern. (Paragraf 5 Absatz 3 und Paragraf 11 Absatz 3 VOF). Unklar sei dabei jedoch, ob darunter auch wesentliche Preisabgaben nachgereicht werden könnten. Auch Inhalt und Ablauf des Verhandlungsverfahrens seien präzisiert worden: So sei es etwa möglich, wenn die Zahl geeigneter Bewerber zu hoch sei, diese durch Losentscheid zu verringern.

„Die Vergaberechtsreform ist noch nicht beendet“, sagte Ministerialdirigent Weiblen. Die Bundesregierung wolle das Recht weiter novellieren. In der Wirtschaftsministerkonferenz der Länder sei man ebenso im Gespräch. Das entwickle sich jedoch sehr zäh, räumte er ein.

Die vollständigen Tagungsunterlagen sowie die Teilnehmerliste finden Sie im Anschluss an diesen Artikel.

Dateien:

9VT-Tagungsunterlagen-Teilnehmerliste.pdf2,69 Mi

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