16.04.2013, Europa, Deutschland

Referenzen sind entscheidend und oft umstritten

Lassen sich für die Sammlung von Hausmüll und Leichtverpackungen vergleichbare Referenzen vorlegen? Ja, befindet das Oberlandesgericht (OLG) München in einem aktuellen Urteil. In der Auseinandersetzung ging es um die Frage der Vergleichbarkeit von Referenzen bei einer öffentlichen Vergabe. Solche Referenzen werden in der Regel von den Bietern gefordert, die sich an Ausschreibungen beteiligen wollen.

Die Angaben über die Referenzprojekte bilden nicht selten das Zünglein an der Waage, wenn es um die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Bieters geht. Häufig sind sie allerdings auch Gegenstand von Beschwerden, Rügen und Klagen vor den Vergabekammern und Gerichten. Grund ist die im Einzelfall zu klärende Frage, ob Referenzen vergleichbar sind mit dem jeweiligen Auftragsgegenstand und wie diese Referenz durch den Auftraggeber bewertet worden ist.

REFERENZEN SIND BEI AUFTRÄGEN ÜBER DEM SCHWELLENWERT NÖTIG

In allen Vergabe- und Vertragsordnungen ist vorgesehen, dass bei Aufträgen über dem Schwellenwert der Europäischen Union Referenzen im Zuge der Angebotswertung angefordert werden können. Lediglich aber in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ist das Merkmal der Vergleichbarkeit explizit vermerkt.

Für den Bereich der Dienstleistungen fehlt ein solcher Passus im Übrigen (siehe Infokasten). Nicht nur in der Entsorgungsbranche spielen Referenzen eine Rolle. Ebenso werden von Ingenieur- und Architektenbüros häufig Referenzen abverlangt.

Für Stephan Engelsmann, Vizepräsident der Ingenieurkammer Baden-Württemberg und geschäftsführender Gesellschafter eines Büros in Stuttgart, sind Referenzen eine „Visitenkarte“, die den Zugang zu Aufträgen überhaupt erst ermöglicht. Allerdings: „Es kommt leider nicht selten vor, dass Auftraggeber die Referenzen nicht richtig eingrenzen“, kritisiert er. So gebe es als Beispiel Ausschreibungen für die Tragwerksplanung einer Schule, in denen gefordert werde, dass ein Büro in den vergangenen drei Jahren drei Schulen geplant haben müsse und diese als Referenz vorlegen soll. „Das ist völlig überzogen“, sagt der Praktiker. Für Stephan Engelsmann macht das deshalb keinen Sinn, weil die Berechnung einer Statik unabhängig von einer späteren Nutzung geschieht.

Auch junge Büros hätten bei solchen Anforderungen wenig bis gar keine Chancen, an Aufträge zu kommen. Nachwuchsförderung ist aber eines der wichtigen Ziele, das sich die Ingenieurkammer auf die Fahnen geschrieben hat. Engelsmann schlägt stattdessen vor, mehr Wettbewerbe auszuloben, an denen sich junge Büros beteiligen dürfen. Über den Gewinn von Wettbewerben komme man dann auch zu entsprechenden Referenzen.

Er fordert zudem, dass Referenzen bei Ausschreibungen möglichst flexibel gehalten werden. Projekte sollen nicht allein aus den vergangenen drei, sondern zehn Jahren eingereicht werden können. „In der Folge wird man mehr geeignete Bewerber haben.“

SCHWIERIGKEITEN, BEIM THEMA REFERENZEN EIN GUTES MASS ZU FINDEN

Die Gütestelle Honorar- und Vergaberecht in Mannheim hat Leitfäden zum Thema Vergabe veröffentlicht, in denen auch die Referenzen eine Rolle spielen. Sie sollen sowohl Auftraggebern als auch Bietern Wege aufweisen, wie das Thema für alle Beteiligten transparent und fair umgesetzt werden kann. Der Geschäftsführer Peter Kalte kennt Fälle, in denen Auftraggeber unangemessene Referenzen fordern, „die mit der Vergabe nicht furchtbar viel zu tun haben, überzogen oder zu begrenzend sind“. Aufseiten der öffentlichen Hand fehle hier manchmal das Bewusstsein, ein gutes Maß zu finden.

Er berichtet vom geplanten Bau eines Faulbehälters in einem Klärwerk, bei dessen Ausschreibung gefordert wurde, dass ein Bieter in den vergangenen drei Jahren einen solchen Behälter gebaut haben sollte und zwar mit 10 000 Kubikmeter Fassungsvermögen.

Die Folge: Kein Unternehmen bewarb sich für die Ausschreibung, weil keine Firma dies vorweisen konnte. Kommunen nehmen in ihren Klärwerken höchstens alle 30 Jahre eine solche Maßnahme vor. Kalte plädiert deshalb für mehr Flexibilität bei den Referenzen und die Vergleichbarkeit in den Vordergrund zu rücken. „Quantitäten sind aber einfacher zu werten als Qualitäten“, so Kalte.

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